Donnerstag, 28 Mär 2024
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Odysseas Elytis PDF Drucken E-Mail

1911 - 1996

 

Tagebuch eines nichtgesehenen April

Dienstag, 7b
Ich sah sie von weitem auf mich zukommen.
Sie trug Stoffschuhe, näherte sich fast schwebend
und schwarzweiß. Sogar der Hund, der ihr folgte,
war bis zur Hälfte ins Schwarze getaucht.

Ich wurde alt über´m Warten, tatsächlich.

Und jetzt ist es zu spät einzusehen, dass der Abstand
wuchs, je näher sie kam, und wir uns niemals
begegnen werden.


Samstag, 18c
Stundenlang sitze ich, beobachte das Wasser
Auf den Gehwegplatten, bis es, schließlich, ein Gesicht bildet, das mir gleicht und leuchtet
vom Glanz
Meines verflossenen Lebens.

Ostersonntag, 26b
WINDGEPEITSCHTE TOCHTER, erwachsene
Thalassa
nimm die Zitrusfrucht, die mir Kalvos gereicht
dir gehört der goldene Duft.

Übermorgen kommen andre Vögel ohne Rast
der Berge Linien werden wieder federleicht
aber zur Last wird mir das eigene Herz.

 

Das ganze Leben in vierundzwanzig Stunden

Mit ungefähr achtzehn Jahren
und schon in vierundzwanzig Stunden, würdest du meinen,
wurde ich alt:
Ging um acht Uhr zur Schule wo ich spielen lernte
zehn nach zehn perfektionierte ich mich nach außen hin
(Reiten, Englisch und Ähnliches)
danach die erste Hochzeit die Reise
am Nachmittag langweilte ich mich schon

siebzehn bis achtzehn Uhr ein wenig Unehrenhaftes
um neunzehn Uhr war ich untreu
um zwanzig Uhr schon erschöpft
Kartenspiele, Empfänge und Ähnliches...

Nach dem Dinner schaute ich in den Spiegel im anderen großen Haus
meines dritten und reichen Ehegatten
Ich sah fließendes Licht und darin Delfine.